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Das ist das Boot, hier mit Frau und Dackel

Klepper Wandereiner von 1926



Bei der ersten Probefahrt: Endlich auf dem Wasser. Erster Eindruck: Überraschend kippelig, aber große Endstabilität. Nach kurzer Zeit dran gewöhnt und dann nur noch geniessen. Wind und Wellen machen wenig Eindruck auf das Boot. Auch seitlich anrollende Wellen sind beherrschbar. Davon gibts auf dem Rhein immer genug.
Das Gerüst ist steif, Bordwände werden nicht vermisst. Auf- und Abbau sind kleppertypisch einfach. Ein Boot, das Spass macht.
 
Bisher sind mir Faltboote ja eher ungeplant zugelaufen. Es wurde was angeboten und wenn es mich interessiert hat, habe ich es genommen. Aber jetzt bin ich bei einem Boot angelangt, das ich eine Weile gesucht und endlich gefunden habe. Nach meinem Empfinden die Faltboot-Ikone der 1920er Jahre: Dem Klepper Wandereiner mit Wellenbrecher. Davon gibt es keine 10 bekannten Exemplare mehr. Und keins, das noch aufs Wasser raus kommt. Meins soll natürlich wieder in Verwendung kommen. Es lag lange genug sorgfältig bewahrt im Regal eines freundlichen Sammlers. Das Baujahr ist nur geschätzt, leider gibt es keine Gravur auf der Messingplakette.
Ähnlich alte Klepper Vagabund mit spitzem Süllrand sieht man hingegen schon öfters. Warum ist das so? Ich weiss es nicht. Der Vagabund bekam irgendwann Bordwände, der Wandereiner nicht. Ohne Bordwände sind Gewicht und Packmaß geringer. Die Komplexität finde ich gerade beim Wandereiner besonders gering, die Teile sind einfach und übersichtlich. Der Aufbau geht schnell und ohne Schweiss. Warum also ist dieser Bootstyp so aus dem Blickfeld geraten? Vielleicht ist es eine Folge des schnellen Modellwechsels von Klepper damals in den frühen Jahren des Faltbootsports.
Maße:
Länge x Breite: 410cm x 75cm
Gewicht: 18kg (zwei Taschen zu 9kg)
Packmaß: Stabtasche vom Blauwal (Zweier) 160x22x19cm (Stablänge 133cm) (da passt auch noch das Paddel rein) und Original-Rucksack 70x56x16cm mit genug Platz für weitere Tages-Ausrüstung. Somit könnte man mit nur zwei Gepäckstücken auskommen, wie in der guten alten Zeit :-)


Das Gerüst


Mit diesem Boot hatte ich wirklich Glück, das Gerüst ist in einem nahezu einwandfreien Zustand. Ich musste es nur reinigen, ein paar Schrauben anziehen und es zwei Mal mit Hartöl einreiben. Das Öl, aufgerieben mit einem Lappen, reinigt das Holz von altem Schmodder und bringt eine frische Pflegeschicht auf. Helle Scheuerstellen und Kratzer verschwinden, aber die Patina bleibt erhalten. Man muss keinen alten Lack anschleifen. Nur angelaufene Metallteile und bröckelige Lackschichten wurden mit einer Messingbürste schonend abgebürstet. Hier ein Stimmungsbild dazu:

Die einzige Baustelle waren die Steven: Die Stevenbrettchen saßen fest. Beim Lösen dieser sehr praktischen Längenverstellung zeigte sich, dass die Verbindung im Knick des Stevenholzes sich gelöst hatte. Also etwas Weißleim dazwischen gegeben und mit kleinen Nägeln zusätzlich verstiftet. Das macht einen stabilen Eindruck.

Ausserdem habe ich mir noch ein Fersenbrettchen gebaut. Vor dem vorderen Hauptspant war einfach nichts, worauf man seine Fersen ablegen konnte. Nicht gut für lange Beine. Natürlich sollte der Originalzustand erhalten bleiben, daher ist es eine abnehmbare Lösung aus Altholz:


Mit dem Einsetzen des Spants wird das fixiert. Auf der Basis kann ich nun ein Stemmbrett ergänzen, was den Sitzkomfort sehr erhöhen wird.

Zum Beispiel so. Hier noch nicht mit Hartöl behandelt.

Das wird auch nur eingesteckt. Unten drückt es gegen abgesägte Schrauben. Wenn es hält ist es gut. Diese Teile sind also nicht fest mit dem Originalgerüst verbunden und der Originalzustand wird nicht beeinträchtigt. Das ist mir wichtig. Der einzige Nachteil sind 650g Zusatzgewicht.
Eine Teilsente habe ich noch erneuert, die war zu krumm und das direkt im Bug. Nun ist das Gerüst aber fertig.


Die Haut

Nein, das bleibt nicht grau :-)

Zum Einsatz kommt hier das Unterschiffsmaterial von einem MTW Kolibri. Für diese Boote hab ich wenig Sympathie, aber das Hautmaterial ist gut. Dünn, leicht, dehnbar und nahezu unverrottbar (aber nicht unzerreissbar...). Von der Größe her passt es gerade so, der Kolibri war nur wenig größer. Aufgrund der Dehnbarkeit kommt man mit kurzen Stevennähten aus. Die Stevenkappen, aus Streifen Poucher Bootshaut geschnitten, halte ich sehr schlicht, wie man auf dem Foto sieht. Und so war das bis hier hin in wenigen Stunden erledigt.
Die Plane wird farbig lackiert. Es soll der Originalfarbton möglichst genau erreicht werden. Aber wie sah der aus?
Die Original-Haut war 'Mahagoni'. Hier ein Stück zur Ansicht (klicken für volle Auflösung):

Ich vermute: Im mittleren Bereich liegt die originale Farbgebung. Die dunklen Bereiche sind unter Sonneneinfluß gedunkelt. Es ist eigentlich völlig unmöglich, den originalen Farbton daraus abzuleiten. Um die Farbe wenigstens annähernd nachzubilden habe ich zwei RAL-Töne: 3009 Oxidrot und 8016 Mahagonibraun. Das Oxidrot soll als Grundierung verwendet werden und damit wird das Mahagonibraun als Deckschicht deutlich rötlicher gefärbt. Das ist der Lack:
Kunststofflack-fuer-LKW-Planen-PVC-Planen
Das ist ein Experiment, mal sehen ob es klappt. Immerhin soll der Lack für LKW-Planen und Fußböden gut sein.

Hier ist der Grundierungsanstrich in Oxidrot schon aufgerollt. Es wurden 250ml Lack für den Anstrich gebraucht. Irgendwie war viel Dreck im Lack, ich weiss nicht, wo der her kam (vielleicht hat der Härter geklumpt, bevor ich ihn verrühren konnte?). Die gröbsten Partikel habe ich abnehmen können, der Rest ist halt so wie es ist. Ein paar Reststücke von Poucher Plane wurden auch gestrichen, für Kleinteile. Für die Keder reicht das aber nicht. Dafür streiche ich Reststücke dickes Baumwolltuch beim Endanstrich mit an.
Ursprünglich dachte ich, Oxidrot kommt dem Originalton schon nahe genug. Aber nun mische ich mir was zusammen. Eine Mischung von ca. 50:50 der beiden Lacke 3009 Oxidrot und 8016 Mahagonibraun ist es dann geworden. Das ist dann Mahagonirot :-)

Hier ein Direktvergleich vom Decklack mit einer Stelle an der Originalhaut, wo es am besten passt. Unter Tageslicht ist beides rötlicher. Ich bin zufrieden.

Nun entstand das Deck in gewohnter Weise aus beigem Deckstoff. Möglicherweise war im Originalzustand kein Logo auf dem Deck. Für mich gehört es da aber hin. Ich habe es von meiner Stabtasche durchgepaust und mit einem Textilstift von Hand aufgemalt. Es soll verwittert aussehen, also nicht wie frisch gedruckt. Das geht sicher besser, es muss aber reichen. Ich habe das schon Mal gemacht.

Und hier ist das Resultat.
Alle Deckteile sind bereits vorbereitet, aber noch nicht miteinander vernäht. Da fehlen noch einige Details. Der Keder an den Süllrandanschlüssen besteht aus 10 Lagen Stoff, wobei die äußeren aus dem vorher in Hautfarbe lackiertem Stoff besteht. Meine Pfaff 31 war komplett überfordert, ich musste jeden Stich einzeln am Handrad drehen. Am Ende zählt nur das Ergebnis.

Von der morschen Haut eines 1925er Wanderzweiers verwende ich einige Originalteile. Das macht meinen Wandereiner authentischer. Hier eine Bordtasche. Die Gummibeschichtung ist hart, aber die Nähte halten noch. Mit Vorsicht zu behandeln.

Der Stoff mit den Ösen auf der Innenseite des Wellenbrechers ist ebenfalls original.

Ausserdem nicht nur diese D-Ringe mit viel Patina, sondern auch ein Stevenbeschlag mit Wimpelstangenhalter. Der kommt an den Bug. Für das Heck habe ich einen Beschlag nachgefertigt. Wenn ich mal einen originalen bekomme, lässt sich der schnell austauschen.

Jetzt ist das Deck fertig. Es kann nun mit dem Unterschiff verbunden werden. Dabei gibt es einige Schwierigkeiten: Im Original wurde hier eine Stehnaht gefertigt. Das ist neu für mich. Ausserdem musste ich die Steven der Haut bereits fertig mit Stevenkappen bekleben, damit das zusammen lackiert werden kann. Sie lassen sich also nicht mehr vollständig auf links drehen. Meine Idee ist, so weit wie möglich 'in die Steven hinein' auf links die Teile zusammen zu nähen. Dabei werden 5mm Naht zugegeben. Dann auf rechts wird die Stehnaht genäht. In den Steven wird das schwierig. Ich mache vorher eine Nähprobe der Stehnaht-Situation. Die Naht sieht man hinterher, sie ist ein Stilelement und muss daher gut aussehen.

Aber hallo, die Haut sitzt! Nicht sonderlich stramm, das sollte sie auf dem alten Gestell auch nicht. Aber schön! Das Lackexperiment scheint auch geglückt: Der Lack hat bisher keine Schrammen, auch nicht vom Transporteur der Nähmaschine. Dabei bindet er noch ab, 7-10 Tage lang braucht er dazu. Es sind aber erst 4.

Sogar mit Stehnaht. Man sieht halt doch, dass es nur mit einer Haushaltsmaschine genäht ist und nicht mit einer Industriemaschine. Aber mir gefällt es. Die Stevenspitzen muss ich noch von Hand schliessen. Vorher kommen die Beschläge rein.

Nähen mit der Nähahle bringt eine gewisse Lernkurve. Ich wüsste aber auch nicht, wie das besser geht. Es ist jetzt halt geschlossen, der nachgefertigte und in Salzwasser gealterte Heckbeschlag ist montiert, Boot fertig!

So kanns ans Wasser gehen. Beide Packtaschen wiegen 9kg, also leicht tragbar. In den Rucksack passt noch einiges Tagesgepäck, und in die Stabtasche das Paddel hinein.
Ich habe zuletzt noch eine Dollbordleiste ersetzt. Sie hatte eine Reparaturstelle, ein geklebter Bruch gleich neben der Innen-Steckhülse. Eine hoch belastete Stelle, und ausserdem unter einem gewissen Winkel verklebt. Die neue Leiste aus Originalmaterial ist völlig authentisch und wird die Bootslinie weniger eckig machen.

 

© Mai 2020, Wolfgang Bion
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